Interview mit einem Fernseher

Beim Besuch eines Freundes in Wien, hatte leonope das Vergnügen, sich dessen Entertainment-Zimmer etwas genauer anzusehen. Dabei fiel der Blick auf ein grossvolumiges, in der Ecke stehendes TV-Gerät, was natürlich sofort interviewt werden musste.

leonope: Na Du? Stehst da wie bestellt und nicht abgeholt. Alles klar in der Röhre?

Fernseher: Ach Du! Was soll ich dir sagen? Ich komme mir so richtig unnütz und abgeschoben vor. Tut echt weh.

leonope: Warum das denn?

Fernseher: Weil ich gestern meine letzte Vorstellung gegeben habe. Und jetzt lande ich was weiss ich wo. Ich habe keine Ahnung was mit mit passiert und wie es weitergeht.

leonope: Was heisst letzte Vorstellung? Du bist doch prächtig in Schuss und siehst toll aus. Ausserdem bist Du ja eine richtig stattliche Erscheinung.

Fernseher: Sag das dem Kerl der mich hier ins Eck gestellt hat. Fertig für die Halde! Das war´s dann. Finito, nix flimmert mehr in der Röhre. Mierda.

leonope: Und warum flimmert nix mehr? Irgendwas kaputt an dir?

Fernseher: Wenn es doch nur das wäre! Aber nein, ich bin kerngesund und fit wie ein Turnschuh. Etwas „übergewichtig“ vielleicht, aber total in Form.

leonope: Und warum wirst Du dann abgeschoben?

Fernseher: Schau mal rüber da. Dann siehst Du wer mich ausgestochen hat. Dieser dürre Kerl da drüben ist schuld dran, dass ich zum Gerümpel komme.

leonope: Hm, Sony Plasma Pro 50″. Das ist hart. Da kann man ja fast nicht mithalten. Und wirklich schlank das Ding. Alle Achtung?

Fernseher: Ja, danke, sag es noch lauter und stich mir in meine offene Wunde. Was soll ich gegen so ein Ding noch ausrichten? Nur weil ich etwas breiter, tiefer und unwesentlich schwerer bin? Was kann ich dafür, dass die alle dem Schlankheitswahn verfallen sind?

leonope: Ist echt ein hartes Schicksal was dich da trifft. Voll funktionsfähig und trotzdem reif für das Antiquariat. Das Leben ist öde.

Fernseher: Wem sagst Du das? Was weiss ich wie oft sich der Typ hier mit mir John McClane reingezogen hat und sich dabei bestens amüsiert hat. Da war ich immer sein bester Freund. So hart konnte der liebe Bruce gar nicht sterben. Und jetzt?

leonope: Schon eine Schande. Ich seh grad, dass er sich schon die Super-Edition von „Die Hard“ auf den Zettel geschrieben hat. Nehme an, die wird er sich dann bereits am „Schlanken“ anglotzen?

Fernseher: Bohr nur rum, tut wirklich gut. Na klar wird er sich die dann auf dem dürren Ding reinziehen. Nehme nicht an, dass er sich den nur als Einschlafhilfe angeschafft hat.

leonope: Oh, sorry, tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzten. Tschuldigung.

Fernseher: Ach, schon gut. Was soll´s. Meine Zeit ist halt vorbei. Ich hoffe nur, dass er mich wenigstens an einen anderen verscherbelt hat dem ich noch freudige Stunden spenden kann und er mich nicht zum Sperrmüll stellt.

leonope: Na das denke ich doch schon. Wer wird denn so einen tollen Kerl wie dich einfach wegwerfen?

Fernseher: Danke für die Blumen. Das geht runter wie Ül. Wenn ich nur den Typen da drüben anschaue kommt mir das Weinen. Sieht schon schick aus. Und der „weiss“ das auch, sag ich dir. Sieh ihn dir nur an wie der dort steht.

leonope: Ist schon ein schickes Teil. Kann man wirklich nichts dagegen sagen. Aber mal schauen ob der überhaupt auch so einen guten Job wie Du ihn gemacht hast hinkriegt. Das ist ja noch nicht so klar.

Fernseher: Oh danke. Ich weiss das echt zu schätzen. Ich hoffe nur dass ich nicht komplett in Vergessenheit gerate und irgendwo völlig verstaube. Wäre eine Verschwendung meines Könnens.

leonope: Wirst Du sicher nicht. Ich denke Du wirst noch einige Jährchen jemandem gute Dienste leisten. Ich muss jetzt aber weiter. Danke schön jedenfalls für das nette Gespräch. Und alles Gute und weiterhin viel Spass beim Flimmern.

Fernseher: Ich danke dir auch. Lass mich halt überraschen wer mich dann später abholt. Etwas Angst habe ich aber schon. Na ja, was soll´s? Wenn alle Stricke reissen geh ich halt in Rente.